Gesetzentwurf elterliche Sorge: Ein Etikettenschwindel

Gesetzentwurf elterliche Sorge: Ein Etikettenschwindel

GeCoBi hat den bundesrätlichen Gesetzentwurf für die gemeinsame elterliche Sorge gründlich geprüft. Das Resultat ist ernüchternd: Er hält in keiner Weise, was er verspricht – in Gegenteil.

Die Aufmerksamkeit war gross, als der Bunderat nach mehr als drei Jahren Bedenkzeit Ende Januar endlich einen Gesetzentwurf für die gemeinsame elterliche Sorge auch nach Trennung und Scheidung vorgelegt hat. Als letztes Land in Europa will nun auch die Schweizer Regierung die Diskriminierung von Vätern und unverheirateten Kindern beseitigen – und damit einem Anliegen der grossen Mehrheit des Parlaments und der Bevölkerung entsprechen.

Einfacher Sorgerechtsentzug dank ‚Kindeswohl’ 
In der Zwischenzeit haben die Experten von GeCoBi den vorgeschlagenen Text auf Herz und Nieren geprüft. «Die Enttäuschung überwiegt», so Michael De Luigi, Dossierverantwortlicher bei GeCoBi. «Kommt dieser Entwurf unverändert ins Gesetzbuch, wird sich am Alltag der Betroffenen kaum etwas verändern.» Die Gleichstellung der Eltern bei der Kindererziehung ist lediglich formaler Natur. In Streitfällen kann das Gericht unter Berufung auf den höchst problematischen Begriff ‚Kindeswohl’ ohne weiteres einem Elternteil die elterliche Verantwortung entziehen.

Streit vor Gericht weiterhin einziges Mittel zur Konfliktlösung 
Der Entwurf enthält keinerlei verbindliche Vorgaben zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, wie sie sich in vielen Ländern bereits bestens bewährt haben. Vielmehr setzt er weiterhin auf den Streit vor Gericht – was erwiesenermassen einen Konflikt zwischen den Eltern verstärkt und verlängert. Dies mag im Interesse der Scheidungsindustrie liegen – jedoch nicht in jenem der betroffenen Kinder. Völlig widersprüchlich ist auch, dass der Bundesrat internationale Abkommen unterschrieben hat, die in grenzüberschreitenden Scheidungskonflikten den Einsatz mediativer Ansätze zur Konfliktlösung vorschreiben. Im Inland setzt er jedoch weiter auf den Kampf vor Gericht als privilegiertes Mittel zum Austragen von Sorgerechtsstreitigkeiten.

Abschied von rechtsstaatlichen Grundsätzen 
Je nach Gutdünken können Gerichte verschiedene Mittel einsetzen, um zerstrittene Eltern zu Kooperation zu motivieren – verbindlich ist jedoch keines davon. Wenn Gerichte einen so grossen Ermessensspielraum erhalten und damit die Verfahren von Richter zu Richter völlig unterschiedlich ablaufen, wird eine Gerichtsentscheidung zur Lotterie – Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit sind nicht mehr gegeben. «Wird dieser Entwurf Wirklichkeit, so werden weitere Generationen von Scheidungskindern von unnötigen Trennungskriegen traumatisiert. Wir brauchen konkrete Verbesserungen für von Trennung und Scheidung betroffene Mütter, Väter und Kinder – keine wohlklingende, aber hohle Gesetzesprosa.», so De Luigi.

Die Schweizerische Vereinigung für gemeinsame Elternschaft (GeCoBi) ist der Dachverband von 13 Organisationen und engagierten Einzelpersonen aus der ganzen Schweiz, die sich für die Gleichstellung der Eltern bei der Kindererziehung auch nach Trennung oder Scheidung einsetzen.

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Oliver Hunziker administrator

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