Bundesgericht will gemeinsames Sorgerecht aushebeln

Bundesgericht will gemeinsames Sorgerecht aushebeln

In einem umstrittenen Entscheid versucht das Bundesgericht, das erst vor Kurzem eingeführte gemeinsame Sorgerecht auszuhebeln. In einem Mediencommuniqué kritisiert GeCoBi diesen Versuch des höchsten Schweizer Gerichtes, in die Hoheit der Politik einzugreifen. Die Politik hat (spät, aber immerhin…) bestimmt, dass nach einer Trennung oder Scheidung beide Eltern in der Verantwortung für ihre Kinder bleiben sollen. Wir wollen nicht, dass das Bundesgericht dieses grundlegende Recht durch die Hintertür kassiert.
Hier das Communiqué vom 27.8.2015:
Knapp ein Jahr nach der Einführung des gemeinsamen Sorgerechtes am 1. Juli 2014, hat das Bundesgericht heute erstmals offiziell dazu Stellung genommen, wann bzw. unter welchen Bedingungen von diesem Grundsatz abgewichen werden kann.

Das Bundesgericht kommt in seinem Entscheid zum Schluss, dass „bereits ein schwerwiegender Dauerkonflikt oder eine anhaltende Kommunikationsunfähigkeit der Eltern eine Alleinzuteilung erfordern, wenn sich der Mangel negativ auf das Kindeswohl auswirkt und von einer Alleinzuteilung eine Verbesserung erwartet werden kann“.

Diese Haltung des Bundesgerichtes ist in den Augen von GeCoBi brisant. Der Gesetzgeber hat immer klar gemacht, dass der Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge eben darin besteht, dass Kinder auch nach der Trennung Anspruch auf den Kontakt zu beiden Eltern haben und dass insbesondere beide Eltern auch in der Verantwortung und der Pflicht bleiben, für die Kinder zu sorgen, juristisch festgehalten durch die gemeinsame elterliche Sorge.

Zwar präzisiert das Bundesgericht, es sei in jedem Fall erforderlich, „dass der Konflikt oder die gestörte Kommunikation erheblich und chronisch ist. Kein Anlass für eine Alleinzuteilung besteht bei punktuellen Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten, wie sie in allen Familien vorkommen und insbesondere mit einer Trennung oder Scheidung einhergehen können. Die Alleinzuteilung muss die eng begrenzte Ausnahme bleiben.“

Dennoch setzt dieses Urteil ein gefährliches politisches Signal. Gerade die Tatsache, dass durch anhaltend unkooperatives Verhalten ein Elternteil ausgebootet werden konnte, war einer der zentralen Aspekte für die Gesetzesrevision. Ziel war es, künftig beide Eltern in der Verantwortung zu halten und diese Verantwortung höher zu gewichten, als kommunikative Störungen zwischen den Eltern. Mit dem vorliegenden Entscheid kehrt das Bundesgericht diesen Grundsatz jetzt aber um und ermöglicht es wieder, dass Streitverhalten allenfalls belohnt wird durch die Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge.

GeCoBi geht davon aus, dass die Gerichte den ganzen Text genau und gründlich studieren und in der Anwendung dieses Urteils exakt darauf achten werden.

Andernfalls verkehrt sich die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers in ihr Gegenteil. Statt darüber zu befinden, wer von den Eltern besser streiten kann, sollten sich die Gerichte viel eher darauf konzentrieren, wer eher bereit ist, zugunsten der Kinder nachzugeben. Vor langer Zeit tat der biblische König Salomon genau dies – Es wäre an der Zeit, dass auch hierzulande die Gerichte wieder mehr dieser Grundhaltung nachleben würden.

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Oliver Hunziker administrator

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